WikiLeaks

Mit Interesse, aber auch zunehmend deprimiert verfolge ich das Katz- und Maus-Spiel um WikiLeaks. Deprimierend daran finde ich die archaischen und unzivilisierten Methoden, mit denen die Streithähne aufeinander einhacken.

Auf der einen Seite der autokratische Kopf von WikiLeaks, Julian Assange, der sich auf einem Rachefeldzug gegen die USA befindet und dessen selbstherrliche Art für einigen Unmut in der Szene der WikiLeaks-Aktivisten gesorgt hat. Gerade einer der Aussteiger, Daniel Domscheit-Berg, beklagt die intransparenten internen Entscheidungsprozesse. Das ist Gift für eine Enthüllungsplattform, die sich zum Ziel gesetzt hat, »wichtige Nachrichten und Informationen zu veröffentlichen«. Wer entscheidet denn, was »wichtige Nachrichten« sind?

Auf der anderen Seite der »angeschossene Bär USA« und die überwiegend amerikanischen Internetgiganten, über deren Tapsigkeit im Umgang mit der Affäre man nur staunen kann. Firmen, die entweder auf Regierungsdruck hin oder im vorauseilenden Gehorsam mit Verweis auf ihre AGBs WikiLeaks die Infrastruktur abgraben – oder abgraben wollen – und damit die Hacker dieser Welt mit Ihrer Ethik geradezu herausfordern. Gepolter von amerikanischen Politikern, deren unverhohlene Drohungen auch nicht zivilisierter sind als die Drohungen einer »anderen Fraktion« seinerzeit als Reaktion auf die Mohammed-Karikaturen.

Im Gegensatz zu vorangegangenen WikiLeaks-Enthüllungen war mir die Motivation im Fall Cablegate zunächst unklar. Strippenweise wird aber das Ausmaß des ganzen Filzes deutlich, und allein das ist schon eine Existenzberechtigung für eine seriöse Enthüllungsplattform, ob das nun ein gereiftes WikiLeaks sein wird, eine andere oder etliche andere Plattformen. Herrn Domscheit-Berg zum Beispiel würde ich die Seriosität und menschliche Festigkeit zutrauen, die für diesen Job erforderlich ist.

Um einen mit dem Stammhirn erdachten Straftatbestand handelt es sich bei den jüngsten dDoS-Attacken auf die oben erwähnten Firmen. Erstaunlicherweise lassen sich aber diese Dummheiten noch steigern, wie ein Zitat aus Twitter belegt. Das spiegelt das Freiheitsverständnis eines Kindes, das jederzeit sein Spielzeug kaputt machen kann, hat aber mit wirklicher Freiheit nichts zu tun.

Von all diesem Gekasper hebt sich der Artikel »Kriegsgerät Serverplatz« des Strafrechtlers Udo Vetter in seinem law blog wohltuend ab: »So wie niemand die Redakteure des Spiegel für ihre „Enthüllungen“ einbuchten kann, so wenig könnte man es in Deutschland mit den Machern von WikiLeaks machen.« Bei dem archaischen Gekloppe der vergangenen Tage ist es für mich tröstlich, dass in zivilisierteren Kreisen der Umgang mit diesem Vorgang juristisch weitgehend geklärt ist. Übrigens auch in den USA, wie die EFF bestätigt.