Jeder, der sich schon einmal mit naturwissenschaftlichen Berechnungen beschäftigt hat, kennt das: Logarithmen und Potenzen sind extrem praktisch für Berechnungen, verstellen aber manchmal den Blick auf wesentliche Aspekte. Ein Paradebeispiel: Abstände in der Astronomie. Eine Astronomische Einheit, ein Lichtjahr oder ein Parsec lassen sich über Zehnerpotenzen wunderbar in Metern ausdrücken, trotzdem verliert man selbst als Naturwissenschaftler leicht den Maßstab ― schon innerhalb des Sonnensystems. Ketten von Maßstäben sind unhandlich für Berechnungen, aber viel anschaulicher.
Stellen wir uns also kurz vor, wir schneiden aus der Erde am Äquator eine Scheibe, und die wäre genau so groß wie eine bekannte Keksrolle (Durchmesser 65mm). Dann hätte die Sonne einen Durchmesser von etwas mehr als 7m ‒ ich kann also im zweiten Stock unseres Hauses nicht mehr so richtig über diese Scheibe blicken. Die Erde als Keks wäre dann etwas mehr als 760m von mir entfernt.
Ok, zu unhandlich: die Sonne ist jetzt mal so groß wie nämlicher Keks. Dann muss ich bis zur Erde nur mehr etwa 7m weit blicken, aber ich muss natürlich genauso scharf hinsehen. Sie ist mittlerweile auf 0,6mm geschrumpft: noch groß für ein Bakterium, aber die größten Vertreter dieser Spezies reichen an einen Zehntelmillimeter heran.
Schrumpfen wir weiter und machen den Erdbahndurchmesser zum Keks. Die Erde hat mit 2,8µm jetzt Bakteriengröße erreicht, die Sonne bringt es immerhin auf Stecknadelkopfgröße (0,3mm), von beiden ist Pluto aber immer noch knapp 1,3m entfernt. Zu Voyager 1, dem am weitesten entfernten menschlichen Objekt im All und immerhin seit 1977 unterwegs, sind es 4,7m. Na, das ist ja schon mal beeindruckend, aber wie weit ist es bis zum nächsten Stern (Proxima Centauri, etwa 1,3pc) unter der Annahme, er flöge in die richtige Richtung? Ok, ich verrate es: 8,7km! Na dann, gute Reise…
Unser Modell ist uns immer noch zu unhandlich, wir schrumpfen den Plutobahndurchmesser oder das Sonnensystem auf Keksgröße. Dann ist der nächste Stern nur mehr zwei Fußballfelder oder etwa 220m entfernt. Die Erde ist in diesem Maßstab bei Virengröße angekommen, die Sonne ein Bakterium, und der Erdbahndurchmesser ist 1,6mm. Zu Kepler-186f, einem erdgroßen Planeten in der habitablen Zone um einen roten Zwergstern, sind es dann knappe 26km. Auf diesem Maßstab ist das Durchmessen der Milchstraße mit knapp 9400km aber längst noch keine Wanderstrecke!
Ok, wir verkleinern weiter, der Abstand der Sonne zum nächsten Stern Proxima Centauri ist ein Keksdurchmesser. Die Erde ist dann so klein wie der kovalente Radius von Wasserstoff, aber wir wandern nur mehr 2,7km weit durch die Milchstraße!
Ist die Milchstraße der Keks, dann ist die Lokale Gruppe 2,3m groß und Laniakea knapp 190m. Allerdings wären für die Erde selbst Protonen Riesen, trotzdem ist es zum Rand des beobachtbaren Universums immer noch zwanzig Mal so weit…
Wie gesagt: Zehnerpotenzen sind praktisch, verstellen aber den Blick auf das Wesentliche. Oder anders gesagt: Wir sollten uns mal auf den Planeten konzentrieren, anstatt die Reise zu den Sternen antreten zu wollen. Der Trip könnte bei gängiger Technik, siehe Voyager 1, recht fad ausfallen, wenn man ihn denn überlebt…
PS Wer es gerne selbst rechnet, Wikipedia und Dreisatz sind Dein Freund…